
Ragnarök - Einherierchroniken des 21. Jahrhunderts - Leseprobe
Pebbles hatte ihr ganzes Magazin verschossen, ohne auch nur einem Aggressor ein Haar zu krümmen. Jetzt warf sie sich wieder hinter den Baum. Mit zitternden Händen fummelte sie ihr Reservemagazin aus der Jackentasche. Trotz der Kälte war ihr heiß. Eine Salve zerfranste die Rinde neben ihr. Fluchend zog sie sich weiter in Deckung zurück. Das Magazin wollte nicht einrasten. In der Ausbildung war ihr das viel einfacher vorgekommen, so wie in Kinofilmen – wie bei dem blonden Mustang-Macho. Er bewegte sich wie James Bond, sah aber nicht so geschmiert und gestriegelt aus. Es wäre perfekt gewesen, wenn er den blutverschmierten, riesigen Afroamerikaner bemerkt hätte, der sich neben ihm erhob. Mit aller Kraft schrie Pebbles eine Warnung.
***
Timothy zog die Stirn kraus, als die rothaarige Frau lauthals und mit Gestiken versuchte, ihm etwas mitzuteilen. Was wollte sie? Dann wurde er von hinten gepackt. Wie ein Spielzeug flog er durch den Vorgarten. Schreiend prallte er gegen einen Baum und fiel in den Schnee. Sein Rücken fühlte sich an, als ob ein Truck drüber gefahren wäre. Einen Augenblick sah er alles verschwommen. Stöhnend drehte er sich auf die Seite und ging auf alle viere.
Allmählich wurde sein Blick klarer. Vor ihm ragte der Mann auf, den er als Erstes niedergeschossen hatte. Bläuliches Glühen überzog den riesigen Kerl, die Kennzeichen, eines Hrimthursen – eines Eisriesen! Der nächste Faustschlag traf Timothy wie ein Vorschlaghammer. Schmerz explodierte, als sein Halswirbel knackte – und er sackte zurück in den Schnee.
***
Pebbles erstarrte. Die Schießerei hatte eine schwelende Angst in ihr entfacht, und jetzt die rohe Gewalt in nächster Nähe! Eine laute Stimme, aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins, schrie danach, sich umzudrehen und wegzulaufen. Aber eine Shepherd erledigte ihren Job – immer! Mit Mühe rang sie die Panik nieder und beendete endlich das Nachladen. Dann legte sie an. Drei Mal schoss sie dem Afroamerikaner in den Rücken – zumindest versuchte sie es. Von den Kugeln streifte eine einzige den Hünen am Arm. Ein bläuliches Leuchten huschte über die Wunde und verschloss sie. Pebbles klappte die Kinnlade herunter.
Unterdessen drehte der Afroamerikaner sich um und fixierte sie mit eisblauen Augen. Dann lief er los – direkt auf sie zu! Panisch feuerte Pebbles erneut. Zwei der folgenden Kugeln fanden ihr Ziel; eine den Schenkel, die andere die Schulter. Mit weit aufgerissenen Augen sah Pebbles, dass die Kugeln aus den Einschusslöchern wieder hervorkamen und die Wunden binnen Sekunden heilten. Dann stand der Riese vor ihr. Mit nur einer Hand packte er sie am Hals und hob sie hoch. Sie spürte, wie sie den Kontakt zum Boden verlor. Zappelnd versuchte sie, sich zu befreien und trat ihrem Peiniger wild gegen die Beine. Ebenso gut hätte sie gegen einen Hydranten treten können. Augenblicke später wurde sie gegen den Baum geschleudert. Der Aufprall ließ Sterne vor ihren Augen tanzen. Betäubt plumpste sie zu Boden. Schmerz durchströmte jede Faser ihres Körpers. Taubheit folgte. Krächzend rang sie nach Atem – vergeblich! Es wurde dunkel.
***
Es tat so unheimlich weh. Die Schmerzen strahlten vom Hals in den ganzen Körper, vor allem in den Kopf. Timothy unterdrückte mit eisernem Willen jede Empfindung und öffnete seinen Geist. Augenblicke später durchströmte ihn eine uralte Kraft. Leichtes Kribbeln breitete sich in seinem Leib aus und steigerte sich zu einem Rausch. Die Schmerzen wichen einem wohligen Gefühl. Knochen, Sehnen und Muskeln wuchsen wieder zusammen. Selbst die Müdigkeit wurde hinweggefegt. Gleichzeitig spürte er die ansteigende Hitze auf seiner Stirn – dort, wo das Mal Thors ihn zeichnete. Er schlug die Augen auf. Gewandt rollte er sich auf den Bauch und stand auf. Ein kurzer Blick zu Walther, der sich wacker hielt, und er wandte seine Aufmerksamkeit dem Riesen zu, der soeben die rothaarige Agentin gegen einen Baum schleuderte. »Thurse, such’ dir Gegner in deiner Klasse!«

Anders als die anderen ...
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